Ruhe in der Bewegung –
Qi Gong wird auch als „Heilgymnastik“ bezeichnet; in China dienen die verschiedenen Übungen eher der Gesundheitsvorsorge.
Es gibt Übungen aus dem bewegten und stillen Qi Gong, sowie aus dem Tuina-
Durch die langsamen und kontrollierten Übungen steigt die eigene Körperwahrnehmung und durch das verbesserte Körperbewusstsein wird auch die individuelle Körperhaltung über kurz oder lang optimiert.
Die Anfänge des Qi-Gong gehen sehr weit zurück in die Vergangenheit. Man spricht von einer über 4000-jährigen Tradition. Der Name „Qi- Gong“, den wir heute verwenden, ist jedoch noch relativ jung, er stammt offensichtlich aus der Ming-Dynastie (1368 – 1644), er wird aber allgemein dem Daoisten Xu Sun (gest. 374 n. Chr.) zugeschrieben.‘ Unter anderen Namen existierte Qi-Gong schon in weit älterer Zeit, z.B. als tugu naxin -„Altes ausstoßen, Neues aufnehmen“, als xingqi -„das Qi strömen lassen“, alsyangsheng -„Leben nähren“, oder als neigong- „innere Übung“. Der am häufigsten verwendete Begriff ist daoyin, welches mit „Leiten und Führen des Qi“ übersetzt wird. Dieser Ausdruck „findet sich in einer Inschrift auf 12 Jadeplättchen aus dem 6. Jahrhundert vor Chr. Es handelt sich um die Mahnung, Atemluft einzusaugen und dafür zu sorgen, dass sie nach Zirkulation durch den Körper hinabsteigt, wahrscheinlich in den Unterbauch’“, womit bereits in dieser frühen Erwähnung Qi-Gong als Heilmethode angesprochen wird. Die dort zu findende Beschreibung ähnelt schon sehr unseren heutigen Qi-Gong- Techniken. Ausführliche gesundheitliche Ratschläge und Erläuterungen sind im Werk des Gelben Kaisers Huangdi Neijing aus dem 1. und 2. Jahrhundert vor Chr. zu finden (Der Innere Klassiker des Gelben Kaisers), in dem sich auch der bekannte Grundsatz befindet, nachdem der erfahrene Arzt Krankheiten heilt, bevor sie zum Ausbruch kommen. Dieses Standardwerk ist über die Jahrhunderte hinweg bis heute die Basis der Traditionellen Chinesischen Medizin, die wiederum als Kulturgut fest in der Gesellschaft verankert ist.
Mit der Machtübernahme durch die kommunistische Partei in der Mitte des 20. Jahrhunderts gab es widersprüchliche Einschätzungen. Einerseits wurde wegen der extrem unzulänglichen medizinischen Versorgung Qi- Gong, speziell für die Kader der kommunistischen Partei, als Therapiemethode eingesetzt. Andererseits wurde Qi-Gong während der Kulturrevolution als fortschrittsfeindliches Relikt unterdrückt. Es wurde als Aberglaube und Scharlatanerie abgetan. „Vertreter dieser Methoden wurden stigmatisiert, gepeinigt und zur Umerziehung in die Verbannung geschick
Aber wie bei allen Kulturgütern, die im Bewusstsein der Menschen fest verwurzelt sind, konnten alle Repressalien nichts daran ändern, dass Qi-Gong im Leben vieler Asiaten eine große Bedeutung behielt. In den 80er Jahren breitete sich Qi-Gong in China wieder verstärkt aus, besonders nachdem „der Bann der Geheimhaltung“ nach der Kulturrevolution endgültig gebrochen war und „die Medien euphorisch von sensationellen Heilerfolgen berichteten“. Es gehört inzwischen wieder zu einem ganz typischen Bild, dass viele Menschen in den Parkanlagen mit Qi-Gong oder mit Bewegungen aus den unterschiedlichen Kampfkünsten den neuen Tag begrüßen, um aus diesen Übungen Kraft zu schöpfen.
Es gibt zwei grundlegende taoistische (daoistische) Schriften, in denen sich die Philosophen mit den geistigen Dimensionen des Qi-Gong beschäftigen. Das wohl berühmteste Buch wurde von Laotse (Laozi) im sechsten vorchristlichen Jahrhundert geschrieben und heißt „Tao-te-king“ (Daodejing). Der Titel wird verschieden übersetzt, z. B. mit „Der Weg und die Kraft“ oder mit „Der Klassiker von Weg und Wirkkraft“. Beim „Taoistischen Kanon“ handelt es sich um eine weitere grundlegende Textsammlung, in der sich alle frühen Texte finden lassen, „die einen Bezug zu Qi-Gong haben, darunter einer, der sich speziell mit dem Thema Qi-Gong beschäftigt, der Daoyin- Klassiker“ .
Auch wenn die Grundlagen des Qi-Gong tief in der taoistischen Philosophie verwurzelt sind, gibt es viele Einflüsse aus anderen Philosophien und Religionen, z.B. aus dem Konfuzianismus und dem Buddhismus, die in unterschiedlichen Jahrhunderten unterschiedlich stark ausgeprägt waren. Die Offenheit, mit der philosophische Strömungen in das Übungssystem mit eingeflossen sind, macht deutlich, dass Qi-Gong unabhängig von religiösen Bindungen praktiziert werden kann.
Viele Zivilisationskrankheiten, wie z.B. Allergien, Verdauungs- und Atembeschwerden, Herzkrankheiten, Rheuma, Schmerzzustände jeder Art und Krebs sind eine Folge des durch unsere Lebensbedingungen ausgelösten Ungleichgewichts. Körper, Geist und Seele sind nicht mehr in Balance, und negative Einflüsse, wie z.B. Stress, unausgewogene Ernährung, unbewältigte Konflikte und die damit einher gehenden negativen Emotionen wirken sich schädlich auf unser Immunsystem aus und damit auf die Zentrale in unserem Körper, in der über Gesundheit, Krankheit und Heilung entschieden wird.
Ausgehend von dem ganzheitlichen Ansatz, dass Körper, Geist und Seele keine getrennten Bereiche sind, sondern eine Einheit bilden, ist auch das Wissen, dass körperliche Bewegung die physische und psychische Gesundheit beeinflusst, im Bewusstsein der Asiaten fest verankert. Deshalb gehören Kampfkünste und Qi-Gong zu den wichtigsten Therapieformen in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Dieser Ansatz findet auch im Westen immer mehr Zustimmung, und es gibt Untersuchungen, die die Wirksamkeit von Qi-Gong eindeutig belegen. Forscher konnten zum Beispiel nachweisen, dass ,,30 Minuten Qi-Gong zu einem signifikanten Anstieg von roten Blutkörperchen führt, was die Fähigkeit des Blutes verstärkt, Sauerstoff zu transportieren und an die Zellen abzugeben. Das erhöht die Immunreaktion des Körpers.“ Diese Tatsache ist auch in der Krebstherapie von großer Bedeutung, weil sich entartete Zellen in einem sauren, sauerstoffarmen Milieu besonders wohl fühlen.
Es konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass durch die langsamen Bewegungen, die man bei den Qi-Gong – Übungen ausführt, der Fluss der Lymphe im ganzen Körper angeregt wird. „Da die Lymphe die Reinigung des Blutes und der Zwischenzellflüssigkeit unterstütz fördern Qi-Gong – Übungen die Entgiftung des gesamten Körpers bis zu den einzelnen Zellen. Außerdem stimuliert die Qi-Gong – Atmung die Bewegung der Körperflüssigkeiten, indem sie die Bauchorgane massiert. Wenn das Zwerchfell sich beim Einatmen senkt, drückt es Blut, Gallensaft und andere stagnierende Flüssigkeiten aus der Leber und anderen Organen heraus. Und wenn der Druck bei der Ausatmung nachlässt, weil das Zwerchfell sich wieder hebt, strömt frisches Blut in die Organe und füllt sie wieder mit Sauerstoff und Nährstoffen.“
Neben den einzelnen Qi-Gong- Stellungen, langsamen Bewegungen und einer besonderen Atemtechnik führen Visualisierung und Meditation dazu, dass Qi-Gong als eine wirksame Methode zur Vorbeugung und Heilung anerkannt wird und in vielen ganzheitlichen Ansätzen der komplementären Medizin ein fester Bestandteil der Therapie ist. Die neue Forschungsrichtung der Psychoneuroimmunologie hat eindeutig belegt, dass sämtliche seelischen Prozesse sich unmittelbar oder mittelbar auf das Immunsystem auswirken und damit ganz entscheidenden Einfluss haben auf die Gesundheit des Menschen.
Viele Menschen sind auf der Suche nach einem Weg, der ihnen hilft, mit sich selbst und der Welt im Reinen zu leben. Gesucht wird ein Weg, der Ausgleich schafft und Kraft gibt bei all dem Stress, der uns im täglichen Leben umgibt, Stress durch große Anforderungen im beruflichen Leben, durch hohe Ansprüche und Erwartungen, die auch in unseren persönlichen Beziehungen an uns gerichtet werden oder die wir an uns selber stellen. Angebote gibt es viele, seien es solche, die rein sportlich ausgerichtet sind und/oder Abwechslung oder Zerstreuung versprechen oder seien es die unterschiedlichsten Kurse zur Selbstfindung.
Wenn man Qi-Gong als eine Möglichkeit betrachtet, Gutes für sich selbst zu tun, ist es ganz wichtig, dass man sich auch wirklich darauf einlässt. Gerade weil es so viele unterschiedliche Angebote und Systeme gibt, ist es von Bedeutung, nicht ständig zu suchen oder sogar unterschiedliche Techniken parallel zu praktizieren, denn das kann zu Verwirrung führen.
Ein weiteres Problem ist, dass unterschiedliche Systeme zum Teil auch unterschiedliche Ziele verfolgen; somit kann häufiges Wechseln und Ausprobieren Wirkung und Erfolg einer Übungsmethode schmälern. Es kann sogar sein, dass man sich unwohl fühlt und dann fälschlicherweise diesem Übungssystem die Schuld anlastet. Es entspricht ein wenig der westlichen Mentalität, dass man bald eine Sache aufgibt, wenn man das Gefühl hat, es ginge nicht schnell genug voran, es müssten sich schneller Erfolge einstellen. Dieses Bedürfnis, es müsse alles sofort wirken, ist typisch für unsere Leistungs- und Erfolgsgesellschaft, und deshalb suchen die Menschen auch noch zu oft bei gesundheitlichen Problemen die schnelle Lösung durch Medikamente
Wenn wir aber Körper, Geist und Seele in Balance halten oder verloren gegangenes Gleichgewicht wieder herstellen wollen, geht das nicht im Schnelldurchgang. Geduld und Ausdauer sind. gefragt. Nicht umsonst heißt Qi-Gong: „Arbeit mit der Lebensenergie“ oder „Erfolg durch Ausdauer und Üben“. Es gibt kein System, bei dem man sich nur einfach hinsetzt, die Augen schließt, und schon fließt das Qi. Zum Glück geht es den meisten Menschen, die mit Qi-Gong beginnen, aber so, dass sie bereits am ersten Übungsabend und besonders während eines Wochenend-Seminars ein Gespür dafür bekommen, was es bewirken könnte. Ein Gefühl von Ruhe und Entspannung hilft den meisten Anfängern, sich voll Motivation und Interesse dauerhaft auf Qi-Gong einzulassen. Dadurch stellt sich ein dauerhafter Erfolg ein.
Wenn man dabei bleibt und im Qi-Gong wachsen möchte, braucht man eine feste Stelle, wohin man geht zum regelmäßigen Üben, wo man unter Gleichgesinnten ist, wo man sich austauschen kann. An den regelmäßig stattfindenden Übungsabenden sollte man mindestens einmal in der Woche teilnehmen, denn nur so ist gewährleistet, dass dem Übenden Hilfestellung und Unterstützung gegeben werden kann.
Die angebotenen Wochenendseminare sollten auch gelegentlich besucht werden, denn dort gibt es ausführlich Gelegenheit zum Praktizieren und Lernen. Oft führt die auf Seminaren erfahrene Intensität zu einem großen Motivationsschub zum eigenen Üben und zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl mit den anderen Teilnehmern und dem Lehrer; was sich auch wieder positiv auf die Motivation auswirkt und wichtig ist für das persönliche Weiterkommen. Es ist nicht entscheidend, bei was für einem hohen Meister man irgendwann einmal ein Seminar mitgemacht hat. Wenn es keine regelmäßigen Bezüge gibt und kein regelmäßiges Üben unter Anleitung, nützt das alles nichts.
Wer sich noch mehr auf ein optimales Üben einlassen möchte, wird erfahren, dass der richtige Zeitpunkt für das tägliche Üben auch einen Einfluss hat auf den Erfolg, besonders im Bereich des therapeutischen Qi-Gong, wenn wir uns also auf unsere Organe konzentrieren, da „das zu einer bestimmten Tageszeit durchgeführte Qi-Gong- Training eine unterschiedliche Wirkung auf die einzelnen Organe ausübt. Wenn man also intensiv auf die Organe einwirken will, gilt folgende allgemeine Regel: „Nutzen Sie die Zeit der höchsten Wirkkraft, um therapeutischen Einfluss auf die einzelnen Organe auszuüben.
Grundsätzlich gilt für die tägliche Übungspraxis, dass der frühe Morgen als eine besonders geeignete Zeit angesehen wird. „Die Zeit zwischen 24 Uhr und 12 Uhr mittags heißt im Chinesischen shengqi, , ‚Zeit des lebendigen Atems‘. Der frühe Morgen ist der ‚Frühling des Tages‘. Die Winterzeit des Tages, 12 Uhr mittags bis Mitternacht heißt siqi, ‚Zeit des toten Atems. Was im zeitigen Frühjahr gepflanzt wird, trägt die gesündesten Früchte, was in der Winterzeit gepflanzt wird, ist weniger kräftig. Der lebendige Atem gelangt bei Sonnenaufgang auf seinen Höhepunkt, die ideale Zeit für unser Qi-Gong-Training. Wenn unsere Lebensbedingungen diesen Zeitpunkt nicht ermöglichen, sollte man sich eine andere passende Übungszeit auswählen, zu der man nach Möglichkeit dann immer praktiziert. Wieviel Zeit wir täglich für das Üben investieren wollen, hängt auch von den angestrebten Zielen ab. In jedem Fall gilt, dass kürzeres regelmäßiges Üben effektiver ist als lange Übungsphasen, die in sehr unregelmäßigen Abständen stattfinden.
Die goldene Regel lautet: Zurückhaltung. Wässern Sie Ihren Garten täglich ein wenig. Selbst wenn Sie wissen, dass Ihr Garten zehntausend Liter Wasser im Verlauf eines Jahres benötigt undsoundsoviel Sonnenlicht, heißt das doch nicht, dass Sie die jungen Pflanzen zu Beginn des Frühjahrs mit dieser Wassermenge ertränken und sie dem Licht tausender Ultraviolett-Lampen aussetzen sollten!
Einige der wichtigen Qi-Gong – Stellungen unter den Taoisten und aus dem Wu-dang, dem taoistischen Hauptzentrum in China, sind der Baum, die Goldene Urne, die Schildkröte, die Kreisatmung, das Eisenhemd Chi-Kung und Nei-Kung. All diese Körperstellungen und Bewegungen sind relativ leicht unter Anleitung zu erlernen.
Für sich allein oder nur aus Büchern zu lernen, ist jedoch nicht ratsam, da die korrekte Ausrichtung des Körpers wichtig ist und sich ohne Hilfestellungen und Korrekturen durch einen Lehrer leicht Fehlhaltungen einstellen. Um etwas bewirken zu können, um das Qi zum Fließen zu bringen, ist eine Anleitung unabdingbar.
Was für den Laien aussieht wie langsam ausgeführte gymnastische Bewegungen, ist in Wirklichkeit jedoch viel mehr: während wir in einer bestimmten Stellung ausharren oder bestimmte Bewegungen ausführen, benutzen wir unsere Vorstellungskraft. In der .Baumstellung“ konzentrieren wir uns z.B. auf kühle Wasserenergie und ziehen sie mit unserer ganzen Aufmerksamkeit über die Füße in unser Dan Tien, in unsere Mitte. Bei einer anderen Stellung verbinden wir uns mit der kosmischen Energie und ziehen über unsere Hände und den Scheitelpunkt Wärme in den Körper hinein und lassen sie in die Mitte fließen. Während der gesamten Übung begleiten wir die Energie mit unserer Vorstellungskraft und bringen sie zur Mitte oder in die Organe hinein.
Diese Einheit von Körperstellungen und geistiger Konzentration ist das Wesen des aktiven Qi-Gong. Im Anschluss an die aktive Phase beginnt eine Ruhephase, auch „passives“ oder „stilles“ Qi-Gong genannt oder wu wei. Dieser chinesische Ausdruck wird manchmal mit „nicht handeln“ übersetzt. Wir legen uns dazu hin und ruhen, sollten aber zunächst nicht einschlafen. Wir richten die Aufmerksamkeit auf unser Inneres, sehen unsere Organe und beobachten den Fluss des Qi. Es handelt sich hierbei aber nicht um zielgerichtete Aufmerksamkeit wie im aktiven Qi-Gong, wir nehmen nur wahr und lassen geschehen. In dieser Zeit des Ruhens kommt es zu energetischen Prozessen, die in unserem Körper viel bewirken. Für Anfänger führt wu wei in erster Linie zu einem Gefühl von Entspannung, Ruhe und Harmonie. Bei genügend Übung und wenn es uns gelingt, noch besser in unseren Körper hineinzuhören, werden wir zusätzlich zur Entspannung vieles erspüren und erfahren, was für die Entwicklung im Tao von Bedeutung ist.
Qi-Gong besteht also aus zwei Teilbereichen, den aktiven Stellungen und Bewegungen und dem wu wei, wobei es sich aber nicht um wirkliche Gegensätze handelt, sondern um eine Einheit zweier sich ergänzender Pole. Wie die Lehre vom Yin und Yang besagt, ist das Eine im Anderen enthalten und gehört zusammen. Wenn wir Gutes bewirken wollen für den Einklang von Körper, Geist und Seele und damit für die Erhaltung unserer Gesundheit, sollten wir Qi-Gong praktizieren, damit zusätzliche Lebensenergie in unsere Mitte fließen kann. Durch die bewusste Aufnahme von Qi und die daraus entstehenden energetischen Prozesse können wir ganz konkret Einfluss nehmen auf den Zustand unserer Organe, Knochen und Muskeln, mit dem Ziel, sie gesund zu erhalten oder ihre Heilung zu fördern. Das klingt zunächst befremdlich, wird aber inzwischen medizinisch nicht mehr in Frage gestellt. Der Facharzt für Strahlenkunde und Krebsbehandlung und Pionier der Psychoonkologie Dr. O. Carl Simonton hat zusammen mit der Psychologin Stephanie Matthews Simonton in 30-jähriger Arbeit ein Behandlungssystem entwickelt, mit dem er Krebspatienten auf der seelischen Ebene betreut.
Das sogenannte Simonton- Training gehört mittlerweile zu den klassischen Methoden der psychoonkologischen Begleitung von Krebspatienten. Neben der Stützung des Lebenswillens und der Förderung von gesundem Denken sind Imaginationsübungen ein wesentlicher Teil des Beratungsprogramms. Ein weiteres Grundprinzip dieses Trainings ist, dass wirksame therapeutische Prozesse nur dann eingeleitet werden können, wenn“ der Patient Entspannung, innere Ruhe und Spiritualität erfahren kann. Eine „Kultur der Entspannung“, wie sie durch die langsamen Bewegungen des Qi-Gong, durch Imaginationsübungen, durch gute Gedanken und durch energetische Umwandlung herbeigeführt wird, kann heilsame Auswirkungen haben auf die Gesunderhaltung, womit die Bedeutung von Qi Gong als Regulationsmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin erneut unterstrichen wird. Es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt, warum Qi-Gong von so großer Bedeutung ist: es ist das Fundament für die spirituelle Entwicklung. Wir müssen Qi-Gong praktizieren, egal ob wir Anfänger oder Fortgeschrittene sind. Ohne eine gut gefüllte Mitte sind alle höheren Techniken nicht möglich, ohne Qi-Gong gibt es keine Weiterentwicklung im Tao.
„Das Wort Qi-Gong hat man oft mit „Atemübungen“ übersetzt. Dies ist sehr sinnvoll, denn Chi bedeutet allgemein Luft oder Atem und die unsichtbare, vom Atem getragene Energie“. Die Gleichsetzung von Qi-Gong und Atemübung wird auch in einer sehr alten Bezeichnung für Qi-Gong verdeutlicht: .Tuyu naxin“ heißt: „Altes ausstoßen, Neues aufnehmen“. Diese Bezeichnung “ hört sich an wie die moderne Beschreibung des Gasaustauschs, der durch Atmung erfolgt“. Die immense Bedeutung des Sauerstoffs für die Versorgung der Zellen ist in der Medizin und auch im Bewusstsein der Menschen fest verankert. Flaches Atmen führt auf Dauer zu chronischem Sauerstoffmangel, durch richtiges Atmen kann eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden. „Die Sauerstoffabgabe hängt jedoch mehr von der Qualität der Atmung ab als von der Quantität der bei jedem Atemzyklus in die Lungen aufgenommenen Luft“.
Durch die Bauchatmung, wie sie im Qi-Gong praktiziert wird, werden Sauerstoff und Lebensenergie bis in den letzten Winkel des Körpers, bis in die kleinsten Blutgefäße gebracht. Neben diesem biologischen Aspekt spielt der gesunde Atem eine entscheidende Bedeutung bei der Entstehung und Vermeidung von Ungleichgewicht. Der Atem führt dem Körper die Lebensenergie zu und ist gleichzeitig ein Instrument, um loszulassen. “ Beim Einatmen kann die Fülle aufgenommen, beim Ausatmen angestaubter Stress abgegeben werden. Der Atem ist die Grundlage der Energie, eine allzeit verfügbare Ressource.
Es gibt eine weise Formulierung aus Japan: „Was nicht ausgeatmet wird, verfestigt sich im Körper“, die deutlich macht, wie Stress, negative Einstellungen und Gefühle langfristig zu Blockaden führen können, durch die wiederum die unterschiedlichsten gesundheitlichen Probleme entstehen. Im Bereich der Qi-Gong – Meditation finden wir eine ganze Reihe von Übungen, in denen wir uns intensiv darauf konzentrieren, negative Emotionen, die wir in den einzelnen Organen erspüren können, auszuatmen, um uns von ihnen zu befreien und Raum zu schaffen für Neues, Positives, Heilendes. Die wichtigste Übung in diesem Zusammenhang sind die“ Sechs Heilenden Laute“. Zusätzlich zu dem biologischen und emotionalen Nutzen, den das gesunde Atmen mit sich bringt, gibt es eine spirituelle Komponente, die Dr. Nobuo Shioya in seinem Buch „Der Jungbrunnen des Dr. Shioya“ beschreibt: „Wir können das, was uns am Leben erhält, einerseits als Sauerstoff bezeichnen, andererseits aber auch als Teil der „unerschöpflichen Kraft“, die in anderen Kulturen als .Prana“ oder „Chi“ bezeichnet wird.
Spirituell ausgerichtete Menschen werden die alles Leben erhaltende Kraft auch „Schöpferkraft“ nennen, eine über jede Wissenschaft erhabene große Weisheit, deren Ursprung und Wesen wir Menschen niemals ergründen können. Dieses Unsichtbare ist in allem Sein und in jedem einzelnen Leben; es bestimmt Leben und Tod. Sich vorzustellen wie sich diese Kraft Einatmen ganz in uns verströmt und uns Gesundheit bringen wird, ist etwas, was uns außerordentlich gut tut,. Sind wir in der Lage, unser Atmen mit Visualisierungen zu verknüpfen, können wir alles Negative, Krankmachende beim Ausatmen aus dem Körper lösen und in die Erde schicken. Mit jedem Atemzug können wir durch Visualisierung von Positivem und Heilendem Kraft und Stärke in unseren Körper einatmen. Die Kraft der Gedanken, die in dieser Erläuterung zum Ausdruck kommt, wird von vielen Menschen möglicherweise angezweifelt, doch kann durch die Psychoneuroimmunologie nachgewiesen werden, dass über die Psyche und unsere Gedanken der Körper deutlich beeinflusst werden kann und somit auch die Funktion der Organe. Aus diesen Gründen werden Atem- und Visualisierungsübungen zunehmend in vielen Therapien angewendet.
Meditation ist ein weiter Begriff. Ganz allgemein ist damit eine Methode oder ein Weg gemeint hin zu einem Zustand der Entspannung, der Hingabe und des Loslassens.
Zum genaueren Verständnis gilt es zwei Richtungen, zwei Arten von Übungen zu unterscheiden. Sie werden 1. rujing und 2. cunsi genannt. In allen Religionen der Welt wird „Meditation dazu benützt, die Aufmerksamkeit von äußerlichen Dingen weg ins Innere zu lenken und Eingang in die eigene Seele zu finden, sich dem inneren Wissen zu öffnen und über diese Erfahrungen hinaus in höher Bewusstseinsebenen aufzusteigen, die losgelöst vom Materiellen höchste Glückseligkeit versprechen. Der Meditierende richtet seine Aufmerksamkeit auf ein Meditationsobjekt, sei es z.B. „Leerheit“ im Buddhismus oder „Hingabe“ in Meditationen mit christlichem Hintergrund.
Bei dieser Art der Meditation, die mehr auf Stille und gedankliches Loslassen ausgerichtet ist, horcht der Meditierende in sich hinein, er denkt nicht über etwas nach, sondern erfährt direkt, unmittelbar, ohne die Vermittlung von Gedanken und Begriffen. Diese Methode (rujing) heißt übersetzt .Jn-die-Ruhe-Eintreten“ und wird meist in Zusammenhang mit Religionen, besonders östlichen Religionen, gebracht, aber Meditation in diesem Sinne ist auch möglich ohne einen Bezug zur Religion.
Das gilt umso mehr für die aktivere Art der Meditation, die cunsi genannt wird und aus Techniken der Heilvisualisierung und Konzentration besteht. Auch bei dieser Form der Meditation ist der Mensch einerseits ruhig und in sich gekehrt, andererseits aber zielgerichtet und wach. Was ein Paradox zu sein scheint, löst sich auf, sobald wir praktizieren und gelernt haben, leer und offen zu sein und gleichzeitig einen Teil unseres Bewusstseins nutzen, um Qi aufzunehmen. Wir arbeiten mit der Lebensenergie, sammeln Qi aus unterschiedlichen Richtungen, vermischen es und lenken es durch den Körper. Wir wandeln es um, verfeinern es und bringen es dorthin, wo es gebraucht wird. Der Kleine und der Große Energiekreislaj, das Innere Lächeln und für Fortgeschrittene das Paqua sind Meditationen dieser aktiveren Art. Auch die Sechs Heilenden Laute gehören dazu, da es sich dabei auch um eine Übung der Imagination und Willenskraft handelt. Sie sind sogar sehr wichtig als Grundlage, weil die Meditation nichts Gutes bewirken kann, wenn wir mit unseren Emotionen nicht im Einklang sind und die Organe, besonders die Leber, überhitzt sind.
Diese aktive Form der Meditation arbeitet mit Visualisierung und heilenden, positiven Gedanken, sie wirkt daher auch therapeutisch. Wir lassen farbiges Licht, sonniges Qi, Erd- und Wasserenergie durch die Meridiane und in die Organe und „Sammelpunkte“ fließen, nutzen alles entsprechend unserer Intention. Auf einer höheren Stufe verbindet sich der Meditierende mit dem Kosmos und lässt die Kräfte des Universums zusätzlich in sich hineinfließen, er verbindet sich mit den höheren universellen Energien, wird eins mit ihnen.
Die beschriebenen Arten der Meditation sind keine wirklichen Gegensätze, auch cunsi führt letztlich zu dem Zustand des In-die-Ruhe- Eintretens, und durch die Hinwendung auf ein Meditationsobjekt kommen bei rujing auch Imagination und Konzentration zum Tragen.
Da das Leben der meisten Menschen bestimmt ist von Hektik und Ruhelosigkeit, wächst bei ihnen das Bedürfnis nach Stille und Entspannung. Gerade in dieser Hinsicht sind Meditationen, gleich welcher Art, wirksam. Der Meditierende erlebt körperliche und seelische Entspannung, da er mit seiner Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Augenblick präsent ist, die Erinnerung an Vergangenes und der Blick auf Zukünftiges nehmen ab. Gerade dies gelingt uns normalerweise nur schlecht, wir wandern mit unseren Gedanken hin und her und können das ‚Jetzt‘ nur selten mit dem ganzen Bewusstsein aufnehmen.
Je mehr man sich auf Qi-Gong und Meditation einlässt, umso wahrscheinlicher ist es, dass man sich öffnet und die Aufmerksamkeit von den äußerlichen Dingen weg ins Innere lenken kann. Im Verlauf der Praxis wird man sich dem inneren Wissen öffnen und über diese Erfahrungen hinaus innerlich wachsen. Man wird mehr und mehr zu einer Spiritualität geführt, die die persönliche Sicht des Menschen, seinen Geist verändern wird und damit auch die Einstellung zu den philosophischen Fragen nach Leben und Tod und der ganz persönlichen Aufgabe in diesem Leben. Gelingt es, sich auf dieses Neue und Geheimnisvolle einzulassen, wird jeder Mensch heilsame Erkenntnisse gewinnen und Antworten bekommen, die für die persönliche Lebenswirklichkeit von Bedeutung und hilfreich sind.
Das Leben der Menschen, besonders in den westlichen Zivilisationsgesellschaften, ist sehr stark geprägt durch Stress. Stress, der zu einer ständigen Überreizung und Überforderung führt und langfristig das Nervensystem schädigt. Diese Dauerbelastung gilt in gleicher Weise für Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen leiden unter psychosomatischen Erkrankungen, Schmerzzuständen jeder Art. Der Dauerstress, der in seiner Wirkung mit ständiger Belastung durch Schadstoffe gleichzusetzen ist, führt häufig zur Verschlechterung der schulischen Leistung.
Die Konzentrationsfähigkeit vieler Kinder hat deutlich abgenommen, und oft fehlt es ihnen an Mechanismen, mit Stress und Misserfolg umzugehen. Es gibt ermutigende Erfahrungen an verschiedenen Schulen, dass die Konzentrations- und Entspannungsübungen des Qi-Gong die Lebenskompetenzen der jungen Menschen fördern, sie stark machen und ihnen Selbstvertrauen zurückgeben.
Des Weiteren wird berichtet, dass sich durch Qi-Gong-Übungen die Lernatmosphäre entspannt, der Umgang der Schüler untereinander freundlicher wird, Konflikte weniger schnell eskalieren. Eine Untersuchung der Sporthochschule Köln unter der Leitung von Professor Dr. H. Allmer hat die Wirkungen von Qi-Gong auf die Konzentrationsfähigkeit bei Schülern untersucht. Ein Ergebnis ist, dass sie bei den Schülern, die Qi-Gong praktizieren, signifikant länger erhalten bleibt.
Im Allgemeinen lassen sich Kinder und Jugendliche bereitwillig und offen auf diese neuen Erfahrungen ein, da die Übungen leicht zu erlernen sind und weil sie relativ schnell eine positive Wirkung spüren können. Sie fühlen sich entspannt und sind belastbarer.
Wenn man Kampfkunst praktiziert, wird im Körper viel innere Kraft aufgebaut. Es ist „Chi“, die Kraft oder Energie, ohne die Leben nicht möglich ist. Diese Lebensenergie wird in allen Kampfkünsten durch bestimmte Bewegungen und spezielle Atemübungen erhöht. Um zum Beispiel Schläge und Tritte gegen den Körper abzuwehren, aktiviert der Sportler ständig sein Dan Tien, seine Mitte, das Sammelbecken für das Chi.
Das Chi soll gelenkt, konserviert und für den Körper nutzbar gemacht werden, damit man lange davon profitiert. Da es sich nur im Dan Tien oder in den Organen speichern lässt, ist es wichtig, dass sie im Einklang sind, wie die Vorstellung von Yin und Yang uns lehrt.
Obwohl regelmäßiges Training durch den Aufbau von Chi automatisch zur Erhöhung von Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden führt, ist es wichtig, dass jeder Praktizierende Qi-Gong erlernt, um die im Kampfsport aufgebaute Energie umzuwandeln und zu harmonisieren. Negative und aggressive Energie, die zur Überhitzung der Organe, insbesonde der Leber führt, kann durch Qi-Gong umgewandelt und positiv genutzt werden.
Ein Training, das allein den äußeren Kraftaufbau für wichtig erachtet und die Entfaltung und Stärkung der inneren Kraft vernachlässigt, ist einseitig und kann auf Dauer sogar schaden. Nur dann, wenn eine energetische Kultivierung angestrebt wird, wenn äußere und innere Kraft als Einheit gesehen werden, kann man die wahre Kampfkunst erlernen. Somit gehören Kampfkunst und Qi-Gong zusammen, sie bilden eine Einheit.